Es ist manchmal lehrreich, sich mit den Augen der Anderen zu sehen, selbst wenn dieses Spiegelbild nicht schmeichelhaft sein mag. So neigen die indigenen Amazonasbewohner dazu, die Weissen als eine unersättliche Spezies zu betrachten, die Raubbau an allen Rohstoffen betreibt, sei es an Erdöl, Holz, Gold oder sonstigen Erzen. Vor allem eines ist für die Amazonasbewohner unverständlich: Je mehr wir haben, desto mehr wollen wir. Aus ihrer Sicht sind wir davon besessen, immer mehr Geld, Objekte und Technologien anzuhäufen. Die Weissen werden von der Gemeinschaft der Piro im pe­ruanischen Amazonasgebiet „Besitzer von Gegenständen“ und von den Yanomami im brasilianischen Teil des Amazonasgebiets „das Volk der Güter“ genannt.Der yanomamische Schamane Davi Kopenawa meint: „Die Weissen sind anders als wir. Sie besitzen Maschinen und Fabriken in rauen Mengen, doch das genügt ihnen nicht. Ihre Gedanken kreisen ständig um ihre Dinge.

Sie stellen pausenlos Dinge her und streben ständig nach neuen. Zweifellos sind sie nicht so intelligent, wie sie meinen. Ich befürchte, dass sie sich ob dieser Gütereuphorie ohne Ende schliesslich in einem Chaos verstricken werden. (Siehe das Buch „The Falling Sky“ von D. Kopenawa und B. Albert.)

Teilen statt anhäufen

Was die Anderen über uns denken, ist nicht unbedingt wahr. Doch legt ihre Sicht denjenigen Teil von uns offen, über den wir lieber hinwegschauen. Wenn wir den Mut aufbringen, den kritischen Blick der Anderen zu akzeptieren, können wir unsere verbesserungsfähigen Aspekte identifizieren. Im vorliegenden Fall können wir versuchen, zu geben und zu teilen anstatt abzubauen und anzuhäufen

Jérémy Narby

Übersetzt von Marina Bentele